Stadtfahren

z.b. Hamburg vs. Heidelberg 

(kein Rant, aber fast sowas)

Es gibt bestimmt fantastische Untersuchungen über das Folgende., Und am Schluss empfindet es sowieso jeder anders.

Egal. Ein paar einseitige Worte zum Fahrradfahren in der Stadt. Quasi ein Rant. Aber nicht wirklich, denn tatsächlich möchte ich nichts negatives über die folgenden Städte sagen. Es gibt nur einige Dinge, die sich nicht so verwirklichen lassen, wie es wünschenswert wäre.

In der letzten Zeit häufen sich die Critical Mass-Aktivitäten. Fahrradfahrer sammeln sich zu vereinbarten Terminen wie zufällig an einer Stelle der Stadt und zeigen mal wie das ist, wenn sie die Mehrheit darstellen. Vor allem zeigen sie überhaupt, dass sie da sind. Eine Aufforderung an die Entscheider für mehr Radwege, mehr Struktur und bessere Verbindungen. Interessanterweise finden die umfangreichsten CM-Demonstrationen genau dort statt, wo sich schon eine freundliche Infrastruktur findet. Bei genauere Betrachtung ist das natürlich logisch, je besser da Netz für sie ist, umso mehr Menschen fahren Rad, umso mehr Radfahrer engagieren sich. Der Schuss geht zwar nicht nach hinten los, den Fahrradstädte strahlen ihre Erfolge ab, aber wahrschlich war das anders gewünscht.

Ich will Heidelberg nicht schlechter machen, als es ist, dazu mag ich die Stadt viel zu sehr und die Probleme sind selbstverständlich nachvollziehbar, aber es ist ein gutes Beispiel für dieses Thema.

Städte wie Kopenhagen, Rotterdam und Den Haag sind allen weit voraus. Und was schon immer ein bisschen seltsam und gemütlich wirkte, wird heute als Utopie verstanden. Das Auto, das im Süden Deutschland einen einzigartig guten Stand hat, soll heute plötzlich aus den Städten raus, weil ja schon dass rein fahren morgens eine Leistung ist.

Im direkten Vergleich zu Hamburg wirkt das Fahrradfahren in Heidelberg gefährlich. Und man mag sich fragen, woran das liegt. Schließlich ist Heidelberg ausgesprochen grün gelegen, x-Mal kleiner als Hamburg und studentisch geprägt. Und, ohne dass nun beweisen zu können, dürfte das Fahrradaufkommen in HD im Verhältnis ähnlich wie in Hamburg sein. Vielleicht sogar etwas intensiver. Wer den Heidelberger Bahnhof kennt, der hat die Situation schon erfahren: Der Bahnhof ist geradezu eingekreist. Die Fahrräder belegen alle Leerstellen um den Bahnhof herum. Pikantes Detail: Es leben eine Menge Papageien in Heidelberg, die sich am liebsten in der Umgebung des Bahnhofs niederlassen. Wer sein Fahrrad im Winter an einen Baum gelehnt hatte und es im Frühjahr abholen wollte, der hatte eine Guanoskulptur, die den Umrissen seines Rades nachempfunden war. Papageien sind winterhart und fliegen selbst bei Schnee und Eis durch die Stadt. Selbstverständlich kuscheln sie sich auch auf denselben Bäumen aneinander. Auch wenn diese unbelaubt sind.

Doch zurück zum Vergleich.

In Hamburg jedoch gibt es breitere Straßen, daher auch entsprechende Fußgängerwege und weniger Konkurrenzkampf um das bisschen Platz, das jedem bleibt. Ausdrückliche Verbotsschilder gibt es wenige, Varianten ein Ziel zu erreichen zuhauf und Fahrradfahren ist flott, selbstsicher und viel gefahrloser als man sich das vorstellen mag. Hupen scheint verpönt, drängeln ebenso. Ich wurde oft überholt. Ich glaube nirgendwo wurde ich überhaupt so oft überholt. Und das von JEDEM mit jeglichem Fahrrad.

Egal, ob es sich dabei um eines der Stadtfahrräder handelt, die nichts anderes sind als das Bikesharing-Konzept der deutschen Bahn in seiner Fortsetzung, oder Fixies oder etwa ganz normale Hollandräder. Hamburg ist schneller unterwegs. In Heidelberg ist das Tempo, von Ausnahmen abgesehen, eher gemäßigt, vorsichtig. Der Fahrradfahrer und die Fahrradfahrerin befürchtet Unfälle, Probleme, da die Strecken selten überschaubar sind. Die Wege sind nicht einheitlich. Machmal verschwinden sie, warum auch immer, komplett. Und: Gibt es einen Weg, dann ist er schlichtweg alternativlos, denn es fast unmöglich eine andere Option, als die offensichtlich angebotene, zu nutzen. Auf den Fußwegen ist es nicht möglich, denn diese sind zu schmal, auf der Straße fühlt sich der Autofahrer in seinen Rechten beschnitten. Die Emanzipation der Radfahrer scheint in der Republik seltsame Wege zu gehen, sie ist auf gar keinen Fall an jedem Ort gleich. 

Natürlich ist Verkehrsplanung in Städten mit einem größeren Platzangebot und historisch breiten Straßen um einiges einfacher als an einem Ort, der quasi von der Attraktivität seiner Gässchen lebt. In Heidelberg gibt es sie eben nicht, die attraktiven Villenstraßen, Dämme und Zuliefererwege, die aus einem Hafen durch die komplette Stadt führen. Auch kann Heidelberg selbstverständlich nicht nach allen Seiten wachsen. Der Platz ist begrenzt, eingekreist von einer Berglandschaft und einem Flusslauf, bleiben nicht viel Optionen die Straßenbreite zu verdoppeln. Aber selbst in neu gebauten Stadtvierteln geht man das Problem eher rücksichtsvoll und zaghaft an. Wenn überhaupt. Fahrradwege erscheinen nicht wie ein Teil der Planung, sondern wie Flickwerk, das hinzugefügt wird, auf Verlangen bisherige Wege beeinträchtig und daher jedes Mal in Parkzonen umgewandelt werden muss. Von sozialen Diensten, die morgens unterwegs sind, Lieferanten, die den ganzen Tag keine anderen Möglichkeiten finden, um ihre Ware auszuladen, und PKW-Fahrer, die den entgegenkommenden Fahrradfahrern in Einbahnstraßen mit Skepsis und Unwissen begegnen. Darf der das? Darf er mir hier entgegenkommen? Die Information, wer ihm entgegenkommen kann, ist dem Autofahrer entweder meist entgangen oder schlicht nicht vorhanden.  Heidelberg wandelte in den letzen Jahren viele Einbahnstraßen in Straßen um, in denen sich die Radfahrer frei in beiden Richtungen bewegen können. Mit der Konsequenz, dass der verbleibende Platz zwischen dem SUV von vorne und dem parkenden Vehikel rechts unter Umständen einen halben Meter beträgt, und damit für alte Menschen oder nach einem Einkauf, zu einer beängstigenden Risikozone wird. Und wie gesagt: In der Regel sind fast alle Möglichkeiten, die in Heidelberg zur Verfügung gestellt werden, alternativlos.

Zwar ist die Idee eines Rad-Highways fast massenkompatibel geworden und im Ansatz bei der berühmten Bahnstadt durchgezogen, doch unterm Strich fällt man sehr schnell in ein schlecht konzipiertes Chaos, wenn man die Innenstadt mit dem Rad besuchen will. Große Kernpunkte lassen sich nur sehr umständlich erreichen, meist mit einer Gefährdung verbunden und einer Ergonomie, die davon zeugt, dass keiner der Verkehrsplaner vorzugsweise mit dem Rad unterwegs ist. Man macht halt etwas, aber das dann weder zielgerichtet, noch wirklich ergebnisorientiert. Manchmal passt es halt gerade, dann gerne, manchmal überhaupt nicht, dann schlägt man sich  als Fahrradfahrer irgendwie durch. Die Überquerung des Bismarckplatzes ist ein Symbol für eine Inkonsequenz, die verrät, dass es weder ein Konzept noch eine Idee gibt, sondern nur ein ahnungsloses Achselzucken. 

Egal in welche Richtung man in Heidelberg fährt: Radwege sind nirgendwo von einer gleichbleibenden Qualität, sie sind in Heidelberg an keiner Stelle konsequent durchgezogen. Die Stadt auf einem schlüssigen Fahrradweg von einem zum anderen zu durchqueren ist einfach nicht möglich, denn so einen Weg gibt es nicht. Im Großen und Ganzen sind Fahrradwege, wenn vorhanden, eine Art Pflichtübung, die man den Bürgern schuldet, weil sowieso kein Durchkommen mehr ist und die Verkehrsplanung es nicht mehr schafft den Massen Herr zu werden. Bedauerlicherweise gibt es bisher nirgendwo den Versuch einen radikalen Schritt in die eine oder andere Richtung zu gehen. Insofern liegen alle Hoffnungen in den weiteren Critical Mass Demonstrationen, die nicht nur Heidelberg einfach verdient hat. 

Nochmal: Dieses ist kein Rant, sondern nur ein Erstaunen: Ich hatte vor meinem Besuch in Hamburg große Sorgen in einer Großstadt mit dem Rad zu fahren, aber ich fühlte mich geradezu betreut und geleitet. Ähnlich wie in jeder Gegend in Holland. Heidelberg dagegen lässt den Radfahrer alleine, zwingt ihn kreativ zu werden und bedauert diese Kreativität sicherlich.  Um versöhnlicher zu klingen: Heidelberg teilt dieses Schicksal mit vielen Städten im Süden. München, Karlsruhe, Stuttgart haben ähnliche Probleme und werden sie wahrscheinlich auch so begründen. Und wenn ich viel Zeit habe, dann schreibe ich den Text nochmal und ändere nur den Namen der Stadt. Mache ich.

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