Buchmesse Impressionen 3.Teil

  • Am Samstag musste man über das Wetter reden. Es ging gar nicht anders. Während sich die Buchmesse in den letzten Jahren immer ein Stückchen verkleinert hatte, dürfte die Besucherzahl dieses Jahr Rekordniveau erreichen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich es schon mal vor der Mittagszeit aufgegeben hatte in die Halle 3 zu gelangen. Die Gänge waren größtenteils zu und vor der Halle fuhren die Krankenwagen auf.  Auch der Smartphone-Empfang war stellenweise schlicht nicht mehr möglich. Das blieb zwar nur ein kurzes Erlebnis, aber alles deutete daraufhin, dass auch hier eine ungewohnte Größenordnung erreicht wurde. Und, obwohl sich die Buchmesse zu 95% in Hallen abspielt, dürfte das gute Wetter mit Schuld an diesem Boom sein. Der Freibereich war das Sonnendeck, und bot den Cosplayern, die immer am Meisten unter der Kälte zu leiden hatten, eine durchgängig angenehme Bühne.
  • Während unter der Woche die internationalen Hallen durch den Rechtehandel gut besucht sind, nimmt das Interesse am Wochenende stark ab. Die Hallen 5 und 6 entwickeln sich zum Geheimtipp und können damit als Ruhepunkt dienen. Sehr zum empfehlen ist dann der offene Bereich des Dachcafes in Halle 6.1 bzw. die Area der Literaturagenten auf 6.2. Lädt zum Ausspannen und Relaxen ein. Keine Schlangen für den Kaffee, leere Stühle, keine Hektik, Ruhe. Für Interviews gut geeignet – selbst wenn draußen der Bär steppt.
  • In den fremdsprachigen Bereichen fällt mir immer eines auf:  Wir sind in unserem aktuellen Buchhandel extrem auf den angloamerikanischen Raum fixiert. Nicht nur, dass von den meisten Verlagen gerne englischsprachige Autoren (in Übersetzung) verlegt werden, es gibt gerade im Self-Publisher-Bereich eine Tendenz dazu, sich Pseudonyme zu zulegen, die thematisch an dem Buch angelehnt sind und in der Regel angloamerikanischen Ursprungs sind. Nach wie vor scheint man sich davon mehr Erfolg zu versprechen.  Das führt für mich zu folgenden Überlegungen:
  • Ich bin ja nach wie vor der Meinung, dass gute Zombie und Vampir-Geschichten locker in der hiesigen Umgebung (z.b. Pfalz und Sächsische Schweiz) angesiedelt sein könnten. Ich frage mich, warum das so selten gemacht wird. Wir haben Großstädte, die sich für apokalyptische Visionen und Untergangsszenarien  eignen, und selbst im sexuellen Bereich dürfte der hiesige Untergrund fast abgefahrener und libertärer sein als das, was uns Amerika oder England bieten kann. Warum Autoren also immer wieder auf Vorbilder außerhalb Deutschlands zurückgreifen, obwohl ein Großteil der Märchenwelt hier angesiedelt ist und genug Stoff bieten würde, ist mir immer noch ein Rätsel.
  • Ich entdeckte einige Namen im spanischen Bereich, die ich sofort versuchte mir für den Kindle zu bestellen. Die Beschreibung in Wikipedia erschien oft sehr interessant, der Umfang beeindruckend. Ich spreche kein Spanisch, daher bin ich auf Übersetzungen angewiesen. Für (z.B.) Santiago Posteguillo, der wohl eine sprachlich brilliante und umfassende Trilogie schrieb, die im römischen Reich spielt, gibt es in keiner Übersetzung. Der spanische Sprachraum ist an Literatur dem englischen sicher ebenbürtig, trotzdem ist sein Anteil an unserem Buchmarkt ungleich kleiner. Für mich, der Englisch nicht perfekt beherrscht und ansonsten bei jeder anderen Sprache ein Versager ist, fällt damit ein ganzes Universum über die Kante. Und wird damit unerreichbar. 
  • Buchblogs erreichen mittlerweile eine Wertschätzung, die wahrscheinlich auch den kommerziellen Möglichkeiten geschuldet sind, die sich aus ihnen ergeben. Als Multiplikatoren versucht man sie ernst zu nehmen und umgarnt sie von Verlagsseite. Die Vereinnahmung von den Verlagen ist sicherlich problematisch, aber das wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wohin sich das entwickelt. Im Angesicht der fremdsprachigen Literatur möchte ich mir fast wünschen, dass es mehr thematisch begrenzte Blogs gibt, oder eben Blogs, die sich eher für Literatur interessieren, die aus dem Independent-Bereich kommt (und damit meine ich nicht ausschließlich die Selbstverleger). Ich vermute, wenn Buchblogs sich z.b. verstärkt auf Übersetzungen aus ungewöhnlichen Ländern stürzen, dass dieses eine Rückkopplung und Impuls an die Verlage geben könnte.

Ich habe am Samstagabend schließlich beschlossen, die Buchmesse früher zu verlassen, lieber noch etwas essen zu gehen, Frankfurt anzuschauen, und bin dann in der #wirsindmehr-Demo gelandet.  Angesichts der ausufernden Medienpräsenz der rechten Seite, bin ich froh über jeden Gegen-Impuls, einem Erstarken des Widerstandes gegen die Entmenschlichung und möchte den Veranstaltern danken. Es gab mal eine Zeit, in der das Mitlaufen auf Demos als nicht genug angesehen wurde,  heute ist es an der Zeit wieder auf die Straße zu gehen, denn ein Bekenntnis auf Instagram und Facebook ist definitiv nicht genug.

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