Buchmesse 2019 – Resümee

Frankfurter Buchmesse 2019 (eine Zusammenfassung von Andreas Allgeyer)

Im Zug, auf der samstäglichen Heimfahrt von der Frankfurter Buchmesse 2019, liess ich die Gedanken, die mir beim Besuch kamen, nochmal kurz Revue passieren.  Ich schrieb eine schnelle Zusammenfassung für die Autorengruppe in Facebook, und  habe diese jetzt noch einmal korrigiert, erweitert und überarbeitet.  Und gleichzeitig soll es eine Entschuldigung an alle sein, die ich eigentlich treffen wollte (Ich werde das noch persönlich machen. Aber der Reihe nach und im Schnelldurchlauf).

Von der Publikumsseite fand ich die Messe voller als je zuvor. Das kann aber auch daran liegen, dass die Fläche insgesamt kleiner war. (Die Messehallen im hinteren Portal waren quasi gar nicht mehr im Rahmen der Buchmesse belegt. Halle 6.2 war zur Hälfte leer. Ähnlich sah es, glaube ich, auch im EDU-Bereich, Halle 4.2 aus).

Im Comic- und Fantasybereich hatte ich den Eindruck, dass einige Verlage eher nach Dreieich auf die BuchmesseCon ausgewichen sind. Aber ich kann mich auch täuschen. In meiner Twitter-Timeline war die BuchmesseCon auf jeden Fall sehr präsent, angesagt und vielbeachtet. So sehr, dass ich fast zu einer Planänderung geneigt war.

Von amerikanischen Comic-Verlagen fand sich z.b. DC im B2B-Bereich bei den Rechteverhandlungen (Rechteverhandlungen sind ein essentieller Teil im internationalen Bereich der Messe. Dabei geht es um die Lizenzen und Übersetzungen fremdsprachiger Bücher zwischen den Verlagen). In der Vergangenheit war das Messegeländer hinsichtlich Comics eher thematisch sortiert. Aber ich kann mich noch erinnern, wie DC früher mal dem Ansturm des Publikums nicht gewachsen war und ziemlich verwirrt über die ganzen Fans waren, die quasi ihren Stand gestürmt hatten (Dieses war allerdings noch zu Zeiten, als der amerikanische Teil der Messe gesondert im hinteren Messebereich untergebracht war, und stärkere Sicherheitskontrollen hatte, als der Rest der Buchmesse. Mittlerweile sind die Sicherheitskontrollen quasi Standard, der amerikanische Teil ist etwas näher an die anderen Hallen gerückt und damit auch schneller erreichbar. Eine Präsenz von DC in dem geschrumpften Comic-Teil macht nun sicherlich keinen Sinn mehr.)

Die internationalen Verlage, die in der Regel weniger mit dem Publikumsverkehr anfangen können, haben ihre Stände am Samstag zu großen Teilen schon geräumt.  Viele Stände begannen auch ihren Bereich mehr oder weniger für den Publikumsverkehr mit Stuhlbarrikaden, Sicherheitskräften und Bändern abzusperren.

Durch diesen etwas überraschenden Aufbruch, ergab sich unter Umständen, wie beim englischen Random House, dass dabei Schnäppchen zu machen waren. Wegen dem hohen Aufwand des Rücktransports wurden zum Teil die englischsprachigen Bücher vor Ort verkauft. (Früher war ein VorOrt-Verkauf erst Sonntags möglich. Nicht jeder hielt sich daran, aber ich kann mich erinnern, dass die internationalen Hallen auch am Sonntag noch etwas mehr Präsenz hatten).

Hallo 3.0 bis 3.1, die traditionellen deutschsprachigen Hallen mit Belletristik etc. , waren schon eine Stunde nach Messebeginn am Samstag proppenvoll und teilweise nur noch im Gänseschritt zu durchlaufen. Daher habe ich sie persönlich für den Rest des Tages gemieden, auch wenn mir dadurch (siehe oben) Vorträge und Treffen entgingen. In den Tagen davor, aber auch am Samstag selbst, waren bestimmte Namen wie z.b. Sascha Lobo natürlich immer wieder und überall anzutreffen. Interessant waren die Diskussionen, die im Selfpublisher-Umfeld und bei den Frankfurt Authors am Donnerstag geführt wurden. Im Rahmen einer ständig wiederkehrenden Urheberrechts-Debatte ging es dabei wieder mal um die Situation der Autor*innen und Rechte*inhaberinnen. Im Konsens taucht bei den Autor*innen, egal welcher Diskussion gefolgt wird, immer wieder auf, dass die eBook-Situation von einer Undurchschaubarkeit der Bezahlung, aber auch von einem Preis- und Wertverfall, geprägt ist. Während eine überschaubare Menge Autor*innen sehr zufrieden mit dem System sind, gibt es gleichzeitig Debattenbeiträge, die eine stärke Präsenz und Position für die Betroffenen bei den Verhandlungen um das Preisgeschehen (sofern diese stattfinden) fordern. 

Alles in allem bleibt allerdings festzustellen, dass die Dienstleister im Selfpublisher-Markt sehr professionell und mit einem hohen Anteil auf der Messe vertreten waren. Im Umfeld des Selfpublishing gibt es einige Genre-Verlage, die sich z.b. im Fantasybereich stark etablieren. Hier gibt es, von außen betrachtet, starke und interessante Wechselwirkungen, die vielleicht nochmal genau beobachtet werden können.

Zum allgemeinen Messegeschehen, dass ich persönlich von der Ausstellerseite als zurückgehend einstufe, ist auch zu sagen, dass ein Drittel der Halle 4.0 für Cosplay reserviert war (also für das Merchandising  etc. Kurios, aber verständlich war, die Präsenz  eines  Nähmaschinenherstellers in diesem Themenfeld.  Macht ja Sinn). Dieser Bereich blieb während der Fachbesuchertage bis zum Samstag unbelegt. Dafür dürfte es am Wochenende einer der am stärksten frequentierten Bereiche gewesen sein.

Im Foodbereich (Kochbücher etc.) war dieses Mal viel mehr zu sehen. Größere Küche, professionelle Gastronomie und damit war das Thema auf Augenhöhe mit den beliebten Kochshows im TV. Das nimmt wirkliche Ausmaße an, die überraschen. Ich denke, da ist ein Wachstumsmarkt. Wahrscheinlich ist mit Kochbücher mehr Geld zu machen als mit schöngeistiger Literatur. Sollte man sich also überlegen.

Der Illustratoren-Bereich scheint sich auch eher in einer Nische aufzuhalten und war, glaube ich, früher mal größer. Aber auch da habe ich schon gehört, dass die Messe in Bologna vielleicht die Interessantere ist. Überhaupt wirkt es alles ein bißchen so, als ob die Buchmesse eine Menge neue Lösungen ausprobiert, aber dabei auch miterleben muss, wie andere Messen  und Plattformen sich spezialisieren. In den letzten Jahren ergaben sich für die Buchmesse Konkurrenzsituation, die früher so nicht vorstellbar waren. Ein Beispiel seien hierbei die Comicverlage. In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts war das Genre hierzulande nur durch den Carlsen-Verlag als feuilleton-tauglich anerkannt. Mittlerweile hat sich das dramatisch gewandelt. Die Mangas sind in der Generation um die 30 Jahre als Literatur prägend und bekannt, DC und Marvel-Superhelden des amerikanischen Marktes sind Mainstream und zur scheinbaren Erwachsenenkultur geworden. Während den entscheidenden Jahre gab es keine ComicCons in Deutschland, Spezialmessen hatten kaum Zulauf und wurden nicht ernstgenommen. Die ersten Cosplay-Events veranstaltete Panini mit der Präsenz von Zeichnern und einem überschaubaren Merch-Bereich quasi im Alleingang (oder unterstützte es zumindestens maßgeblich) auf der Buchmesse. Heute ist Panini im Grunde nicht mehr auf der Frankfurter Buchmesse präsent. Dazu besteht angesichts der vielen anderen Möglichkeiten in Köln, Stuttgart und Essen auch keine Notwendigkeit mehr.  Hier wandern ganze Themen und Bereiche von der Buchmesse ab und nutzen die Vielfalt des Marktes.

Die Frankfurter Buchmesse selbst nimmt daher auch Audio-Visuelle Gestaltungsformen in den Fokus, hat Stände für Studierende, und seit einigen Jahren sehr interessante Foren für Ausbildung im Buchhandel.  Gleichzeitig finden sich traditionelle Handwerke quasi überhaupt nicht mehr. In der Vergangenheit wurde der Drucker, Setzer und Buchbinder, egal in welcher Form (traditionell handwerklich oder industriell) noch vorgestellt. Im praktischen Geschehen spielen diese zwar nur noch eine untergeordnete Rolle und sind zumeist nur noch im Kontext der Forschung interessant, aber bei diesem Themen gibt es keine Präsentationen mehr durch Firmen, Handwerker oder Vereine.

Die Messe ist mittlerweile auch an den Fachbesuchertagen  (Mittwoch bis Freitag)   sehr stark von normalen Publikum frequentiert. Man scheint sich hier öffnen zu wollen, aber vielleicht auch die mediale Präsenz zu verstärken. Blogger können sich recht einfach akquirieren lassen. Benötigt wird dafür lediglich ein aktuelles gepflegtes Blog, das thematisch etwas mit Buch, Literatur etc. zu tun hat. Wichtig ist die Aktualität. Aber auch wer ansonsten das dringende Bedürfnis hat, schon am Mittwoch auf der Messe zu sein, kann das mit einer schnellen Mitgliedschaft im Freundeskreis der Buchmesse und einer Eintrittskarte für 69 Euro erreichen. Offiziell unbestätigt ist, dass man auch in die Messe günstiger reinkommt, wenn man an dem Ticketschalter an Fachbesuchertagen nachweist, dass man von weiter her extra gekommen ist (Bahnticket).

Der Unterschied zu den Publikumstagen ist: Manche Bereiche sind nicht so vorsichtig abgesperrt (z.b. wollte man jetzt mit einem Speerband die Verspiegelung des Gastland Norwegens schützen) oder bestimmte Bücher sind noch sichtbar (wie der Mega-übergroße Bildband von Sebastiao Salgado im Über-Überformat vom TASCHEN-Verlag war noch individuell zu betrachten. Mit Handschuhen etc. Heute lag der gar nicht mehr aus. ).

Ansonsten, die Messe ist anstrengend, ein Grippe-Überträger hoch zehn, die Füße tun weh, die hohe Anzahl der Bücher ist megafrustrierend und inspirierend zugleich. Der Kopf ist so voll, dass er ziemlich bald erschöpft ist, und bei mir hat sich auch ein massives Kopfweh eingestellt, aber missen möchte ich es doch nicht.

Persönlich liebe ich übrigens die Rechtekataloge ausländischer Verlage. Darin finden sich Buchbeschreibungen, von Autoren und Titeln, die es hierzulande noch nicht und vielleicht auch nie geben wird. Alles in englisch beschrieben für den internationalen Markt. Manches sind echte Perlen, auf die ich mich freue, manches mal kann man zukünftige Trends entdecken. Manches mal regt es dazu andere Sprachen zu lernen. Wenn es also zu voll wird, dann findet man mich immer in den Hallen der Länder deren Bücher ich sonst nirgendwo sehe, außer auf der Buchmesse.

PS: Einer der Gründe, warum ich gerne auf die Buchmesse gehe ist aber auch, dass der inspirierende Teil immer wieder dazu führt, eine Geschichte, eine Novelle oder einen Roman zu beginnen.  Egal was. In der Umgebung von Büchern oder Buch-affinen Menschen ergibt Schreiben einen Sinn, der mich dazu treibt, auch wenn es nur eine Fingerübung bleibt, herum zu fabulieren.

BTW: Lykanthropie und Ailuranthropie sind gerade meine Lieblingsrecherchewörter. Wer etwas, egal was, dazu beitragen kann, mir einen Tipp geben will – immer her damit.

PS 2: Auf der Buchmesse gelernt: Das niederländische Friesisch ist eine eigene Sprache, kein Dialekt und unterscheidet sich in vielen Wörtern von der niederländischen Amtssprache. Es werden sogar friesische Bücher verlegt.  Herausgefunden, als ich an den niederländischen Verlagen vorbei gegangen bin. Momentan konfrontiere ich mich sehr stark mit der niederländischen Sprache, um möglicherweise in den nächsten Jahren mal meine Mahlzeiten in der Heimatsprache der Niederländer vor Ort zu bestellen. Kann ja nicht sein, dass ich mich generell auf deren Deutschkenntnisse verlasse.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert