Der erste Teil findet sich hier: Alles was ich bis jetzt über Podcasts weiß (Teil1)
Im zweiten Teil erkläre ich, wie der Podcast produziert wird, wie das Vorgespräch bzw. das Gespräch abläuft, wie das atmosphärisch aufgebaut ist, welche Rituale ich einhalte und welche Möglichkeiten die Interviewten haben den Podcast zu gestalten.

Wie es abläuft…
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie die Podcasts aufgenommen werden. Zum einen, und das bevorzuge ich, finden die Gespräche von Angesicht zu Angesicht statt, oder aber – die andere Möglichkeit – es handelt sich um ein Ferninterview. Letzteres ist technisch schwieriger, da ich ein Teil meiner Kontrollmöglichkeiten bei der Sound-Aufnahme abgebe, und daher fühle ich mich bei einem persönlichen Gespräch in einer ruhigen Umgebung wohler.
Das persönliche Face2Face-Gespräch wird meistens an einer Location geführt, die vornehmlich von meinen Gästen ausgewählt wird. Es handelt sich daher um Orte, an denen sich die Interviewten wohl fühlen (sollen). Ebenso wie bei Zeitvorschlägen, versuche ich das zu berücksichtigen und darauf einzugehen. Nur in Ausnahmefällen, wenn es sich als praktischer erweist, und ich die Gegend des Treffpunktes besser kenne, oder wenn eine Aufnahme an dem gewählten Ort nicht möglich ist, schlage ich eine Alternative vor.
Der Ort
Die Örtlichkeit war mir zu Beginn egal, mittlerweile hat sich heraus kristallisiert, dass Umgebungsgeräusche von den Hörenden eher abgelehnt werden. Radioreporter arbeiten mit Richtmikrofonen, die sehr sichtbar ausgerichtet sind oder per Hand zur sprechenden Person geführt werden. Oft im Wechsel zwischen Frage und Antwort. Diese Technik blendet die Umgebung aus und konzentriert sich auf das Gesprochene. Nachteil: Die Interviewsituation ist sehr bewusst und ungewohnt.
Ich gehe anders vor, und versuche die Technik in den Hintergrund zu rücken. Vorzugsweise wird vergessen, dass es sich um ein Interview handelt. Wir tragen jeweils ein Kragenmikrofon, und ein Tischmikrofon läuft als Backup mit. Das Kragenmikrofon, angeschlossen an ein Smartphone, erlaubt ein sehr klares Gespräch mit einem hellen Ton zwischen zwei Personen. Das Tischmikrofon läuft mit, und kann unter Umständen noch weitere Personen in das Gespräch miteinbeziehen. Damit werden z.b. Gruppentalks möglich.
Ich erwähne mit Absicht aktuell keine Markennamen, kann aber gerne später oder Nachgang, wenn gewünscht, darauf eingehen. Wenn wir uns treffen, dann findet ein sogenanntes, zwangloses Vorgespräch statt. In diesem erkläre ich den Ablauf, wir reden über mögliche Fragen, Themen, und ich stelle schon mal einen Teil meiner Fragen, um ein Gefühl zu bekommen, wie sich das entwickelt. Ich weise, wenn jemand noch nie ein Interview gegeben hat, auf mögliche Gefahren hin, die bei einem Gespräch vorkommen können. So ist es immer schwierig, wenn man die Namen von nicht anwesenden Personen nennt, und sie in Anekdoten einbindet. Ich mag diese Art Geschichten sehr, aber es besteht die Möglichkeit, dass der oder diejenige, die genannt wurden, kein Interesse daran hat, oder sich falsch dargestellt fühlt. Das könnte dazu führen, dass ich das Interview, um Probleme zu vermeiden, offline nehmen muss.
Genauso ist es möglich, dass Beträge und Summen aus vergangenen oder zukünftigen Honoraren, Verhandlungen oder Tantiemen während einer Erzählung genannt werden. Das ist in manchen Fällen sehr interessant, aber man muss, als jemand der vielleicht professionell in einem Bereich arbeiten will, überlegen, ob damit zukünftige Vertragsverhandlungen torpediert werden können.
Über diese Dinge versuchen wir im Vorfeld zu sprechen.
Aufnahmen ohne Unterbrechung (kein Schnitt)
Ich vermeide es meine Interviews zu schneiden. Ich füge keine Musik ein, nehme keine weiteren Fragen auf, formuliere keine Fragen um, oder stelle einen Bericht vorne oder hinten dran. Ich relativere nicht und versuche die Botschaft zu erhalten. Es geht um eine unplugged Atmosphäre, die in einem Rutsch aufgenommen wird. Ich werde oft darauf angesprochen, ob ich dieses oder jenes rausschneide oder die Pausen, Ähems und den Husten rausnehme. Ich tue das, wenn den Interviewten viel daran liegt, wenn ich merke, es gibt ein Unwohlsein, eine Grenze, die nicht überschritten werden soll oder eine Aussage eine ganz andere Richtung genommen hat, als beabsichtigt war und damit missdeutig sein kann.
Ich selbst habe bisher nur einen Satz von mir aus einem Interview genommen, in dem ich mich flapsig über eine populäre Musikband geäußert habe, die ich als nicht mehr aktuell und schon dezimiert titulierte. Das war der Situation geschuldet, aber nicht fair, ungerecht und für die Fans und die Band auf jeden Fall verletzend. Es trug nicht zur Thematik oder Information bei und war in einem Interview nicht angebracht. Gerne an der Bar, gerne beim Bier, aber aus der Aufnahme nahm ich es raus. Ansonsten ist es eher so, dass ich feststelle, dass ich Fragen nicht zu Ende führe, sie mit „Okay“ und „Ähem“ beginne, aber das lasse ich alles drin. Meine Fragen sind um einiges improvisierter und ungeübter, als das was ich höre. Manche Menschen machen mich Staunen.
Jedes Interview beginnt mit dem Satz „Jetzt wird’s ernst“. Dieses hat sich als Ritual etabliert, aber war nie so beabsichtigt. Zu Beginn der Interview-Reihe sprach ich sehr oft von einem Jingle. Einer Erkennungsmelodie. Ich halte das für eine gute Eröffnung, kann mich aber nicht dazu entschliessen, ein technoides Housestück, Jazzgedudel oder symphonische Minimalmusik zu nehmen. Und denke immer: Das ist ein Tattoo, das muss zu jeder Lebenssituation passen. Zu allen Themen.
Ich bin Waage, ich kann mich sehr schlecht entscheiden. Ich wäge ab, und schiebe das Jingle weit nach hinten raus. Am Schluss brauche ich vielleicht nie ein Jingle. Keine Ahnung.
Nach „Jetzt wird’s ernst!“ geht es weiter mit „Das ist der not so urban Podcast! Ich befinde mich gerade…“ und so fort. Und dann kommt für alle Beteiligten der schwierigste Part. Ich versuche meine Gäste dazu zu animieren, sich selbst vorzustellen. Wenn dieses nicht gewünscht wird (wir sprechen vorher darüber), verkürze ich die Vorstellung und stürze in das Gespräch rein. Dann wird die eigentliche Vorstellung nach hinten verlagert und in den Kontext eingebaut.
Ein Interview geht 15-30 Minuten. Dieser Zeitraum entspricht einer durchschnittlichen Fahrtzeit zur Arbeit. Podcasts werden meistens nebenher gehört, oft über mobile Geräte, eher selten daheim und kaum über Boxen. Diese Hörsituationen verlangen eine Kürze, aber auch ein anderes Sounddesign, als ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Da die Hörer entweder sehr nah am Geschehen sind (Kopfhörer) oder aber selbst mit Nebengeräuschen (Straßenlärm) zu kämpfen haben, sind die Nebengeräusche im Podcast stark zu reduzieren und der Sound muss ausgewogener aufgenommen werden.
Die eigene Stimme
Ich selbst habe eine sehr laute Stimme, die sich stark in den Vordergrund drängt. Mir war das bis zur Aufnahme nicht bewusst, aber es ist der Fall. Ich muss daher versuchen, die Stimmen nach der Aufnahme anzugleichen. Wir stellen dieses meist bei einem Soundcheck, der kurz vor der Aufnahme gemacht wird, schon fest.
Wer selten in ein Mikrofon spricht, wird feststellen, wie schwer es ist sich mit seiner eigenen Stimme zu identifizieren. Die eigene Stimme erscheint fremd, ganz anders als vermutet und unangenehm. Man gewinnt den Eindruck, sie nicht steuern zu können und eventuell sehr viel differenter rüber zu kommen. In der Regel wird die eigene Stimme als Makel empfunden. 90% der Interviewten mögen ihre Stimme nicht. Mir selbst ging das bis zur 20ten Aufnahme so. Ich mochte meine Stimme nicht. Mittlerweile betrachte ich sie eher als Instrument, als Werkzeug und höre sie bewusster. Sie wirkt nun nicht mehr fremd, sondern ich höre sie auch so im normalen Leben und kann konkreter damit umgehen. Das ist ein interessanter Effekt, der mir völlig neu ist, aber vor einigen Tagen von einer Radiomoderatorin bestätigt wurde.
Mir wurde auch mitgeteilt, dass meine Stimme nicht sofort im Einklang mit meinem Bild ist. Menschen, die über viele Jahre mein Bild, aber nicht meine Stimme kannten, hatten erwartet, dass sie älter, knarziger, verlebter klingt. Das lässt tiefe Rückschlüsse auf mein Image oder auf mein Bild zu.
Das Ferninterview
Das Ferninterview unterscheidet sich merklich. Ich lade, nach einer Terminabsprache per Messenger oder Telefon zu einem Gespräch in einen virtuellen Onlinekonferenzraum. Diese Konferenzräume werden von Dienstleistern angeboten. Diese Dienstleister bieten verschiedene Möglichkeiten an, wie man ihre Räume nutzen kann. Man kann sich in diese Räume per PC (meistens über eine Software, die heruntergeladen wird) oder per Telefon einwählen. Theoretisch können an mancher dieser Onlinekonferenzen bis zu 40 Personen teilnehmen, aber nicht alle müssen reden oder können reden. Moderatoren solcher Meetings können die TeilnehmerInnen stumm oder aktiv schalten.
Diese Räume erlauben in vielen Fällen Aufnahmen. Der Moderator kann selbst aufnehmen, andere TeilnehmerInnen bekommen dieses Recht wahlweise zugewiesen. Wer daran teil nimmt, erfährt von der Aufnahme. Im günstigen Fall nimmt die Software auf beiden Seiten auf, so dass die Dateien mit dem Gesprochenen am Schluss zusammengemischt werden können, um ein Optimum zu bekommen.
In der Praxis sind jedoch solche Konferenzen von vielen Faktoren abhängig, die es sehr schwierig machen, dass Ergebnis in einer gleichbleibenden Qualität zu liefern. Nicht immer haben beide Seiten eine gute Ausstattung, Internetanbindung, störungsfreie Leitung usw.
Nach einigen sehr fehlgeschlagenen Versuchen, war ich geneigt, dass Thema auf zu geben und nie wieder ein Interview über diese Technik zu machen. Mittlerweile habe ich meine Strategie geändert, meine Fähigkeiten hinsichtlich der Nachbearbeitung sind besser und so traue ich mich wieder ran.
Ich schicke also eine Einladung per Mail und wir treffen uns zu einem ausgemachten Zeitpunkt an unseren PCs. Ich baue bei mir zwei Mikrofone auf, die mich und die Boxen aufnehmen. Aber ich greife auch den Sound, den ich empfange, direkt ab. Im besten Fall habe ich bis zu 6 Spuren Aufnahmen und eine Datei von dem Dienstanbieter. Mit dieser Auswahl gelingt es mir nun häufig eine hörbare MP3-Aufnahme zu kreieren.
Der Ablauf des Ferninterviews entspricht dem persönlichen Interview vor Ort. Wir reden miteinander, klären die wichtigsten Fragen, und ich leite die Aufnahme mit den Worten „Jetzt wird’s ernst“ ein.
Direkt nach der Aufnahme
Direkt nach der Aufnahme sende ich meinen Gästen das Gesprochene als Audiofile zu. Es handelt sich dabei um die rohe, unbearbeitete Aufnahme mit allem Rauschen, Nebengeräuschen und oftmals noch dem Nachgespräch. Ich schneide und bereinige nichts, bis zur endgültigen Freigabe. Erst nach der Freigabe wird die Datei bereinigt, gesäubert, die Stimmen angeglichen, die Schnipsel am Ende und am Anfang weggeschnitten und die Metatags gesetzt. Aber darum geht es im nächsten Teil.
Im dritten Teil geht es um die Freigabe, die Bearbeitung der Aufnahme, den Terminkalender, das Onlinestellen, die Bewerbung und alles was noch darauf folgt.
(Update 27.05.2020: Aufgrund eines Experimentes wird hier vorübergehend die Kommentarfunktion gesperrt.
Näheres dazu : https://notsourban.com/36-000-spam-kommentare-mit-je-700-woertern)
2 Replies to “Alles, was ich bis jetzt über Podcasts weiß (und vorher nicht mal geahnt habe)… (Teil 2)”
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